frostland
Norderney-Krimi
Tomas Cramer
CW Niemeyer Buchverlage GmbH Hameln
480 Seiten, Mit seiner herrlich frischen, geradezu ansteckenden Erzählweise und dem lockeren und mit teilweise humorigen Metaphern gespickten Schreibstil nimmt uns der Autor mit auf das winterliche Norderney, wo unter der Oberfläche eine sehr grausame Geschichte schl
Norderney im Winter. Zwei grausame Morde erschüttern die Insel. Mordopfer sind der ehemalige Chefarzt der Inselklinik und der örtliche Gemeindepfarrer. Als die polizeilichen Ermittlungen ins Stocken geraten, wird Privatermittler Frank Gerdes von seiner Jugendfreundin Antje gebeten, eigene Nachforschungen anzustellen. Gerdes stößt auf Korruption und den schleichenden Ausverkauf der Insel. Seine unorthodoxen Ermittlungsmethoden führen ihn auf eine dreißig Jahre alte Spur aus Missbrauch und Affären. Während Gerdes Stück für Stück das Geflecht entwirrt, gerät er selbst in Lebensgefahr ...
"frostland" ist ein feinsinniger Roman über erlittenes Unrecht und versäumte Gelegenheiten. Ein berührender Inselkrimi mit präzisem Blick auf die Wirklichkeit - im besten Sinne gute Unterhaltung.
Tomas Cramer
Tomas Cramer, 1967 geboren und aufgewachsen im niedersächsischen Cloppenburg, ist ausgebildeter Bankkaufmann. Er studierte Theologie, absolvierte Seminare zur Trauerbegleitung und besuchte diverse Literatur-Workshops. Es folgten Aufnahme in die Autorendatenbank Niedersachsens und Mitgliedschaft im 'Syndikat', der Autorenvereinigung für deutschsprachige Kriminalliteratur.
Veröffentlichung mehrerer Jugend- und Sachbücher, Romane und Bildbände, zudem liegen Publikationen zu theologischen Themen vor. Der Roman 'Trauerwelten' (Isensee) ist Fachbuch des Palliativnetzes, das Buch 'Das verwunschene Museum' (Isensee) ist Schullektüre.
Freier Autor für die CW Niemeyer-Buchverlage GmbH, Isensee Verlag, amazon-Kindle (KDP) und Holtzbrinck Publishing Group. Musikproduktionen für YouTube: northsea:groove | northsea:loops&sounds [EDM].
Tomas Cramer ist kirchlich-ökumenisch engagiert, verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und lebt seit 1991 in der Mittelweser-Region (Landkreis Nienburg/Weser).
Weitere Infos auf facebook und Instagram.
Leseprobe
Ich wählte den Weg über die Promenade für einen kurzen Blick aufs Meer. Der Himmel hatte die Nacht aufgesaugt wie Löschpapier, darunter das grausilbrige Meer und in der Mitte der Horizont als uneindeutiger, schmutziger Streifen wie Kohlenstaub, entfleucht aus dem Aschekasten der Gezeiten. Nach ungefähr zwanzig Minuten erreichte ich die Wohnsiedlung zwischen Friedhof und Arbeitsagentur. Mit unbekümmertem Blick spazierte ich zum Hauseingang und drückte den richtigen Knopf für die Türglocke. Ich warf einen Blick durch matte Scheiben im Eingangsbereich, sie waren einbruchsicher wie Papiertüten.
Links im erhöhtem Erdgeschoss öffnete sich ein Fenster, der Kopf eines Mannes kam zum Vorschein. »Wat is'n?«
»Moin! Bitte entschuldigen Sie, ich suche Bonno Cornelius«, sagte ich.
Der Mann sah müde aus, etwas zu müde für einen Mittfünfziger. Er hatte tiefe, graue Ringe unter den Augen und einen verhärteten Mund. Mit rostiger Stimme sagte er: »Dat bün ick!«
»Haben Sie vielleicht ein paar Minuten? Ich recherchiere wegen einer alten Sache, die sich vor vielen Jahren im St.-Ludgerus-Hospital abgespielt hat.«
»Wa? Und dann komm' se hier her? Warum interessier'n Se sich denn …« Bonno Cornelius stockte, machte dicke Backen. Auf einmal schaute er eine Spur interessierter, Bewegung kam in ihn. »Ach, einen Moment mal. Ich komm eben an die Tür. Der Summer ist nämlich kaputt.« Eine halbe Minute später kamen kurze, schlurfende Schritte die zwei Stufen herunter, und die Tür öffnete sich einen Spalt. Graublaue Augen in einem länglichen, melancholischen Gesicht mit Leberflecken musterten mich von oben bis unten.
»Wer sind Se denn?« Seine Stimme klang auf einmal, als wäre sie gerade geölt worden.
Ich bot ihm das wenige an, das ich bis jetzt hatte, verpackte es aber so, damit die Tür sich noch weiter öffnete. »Mein Name ist Frank Gerdes. Ich recherchiere Verdachtsfälle von vertauschten Babys in Kliniken. Sie haben vielleicht davon gehört?«
Sein Interesse war auf Anhieb geweckt, er zog die Tür weiter auf. Die Skepsis wich, dafür wurde sein Gesicht um eine Nuance nachdenklicher. Er sagte: »Jaja, davon habe ich … gehört.«
Ich betrachtete ihn genauer, er stand ein wenig nach vorn gebeugt, als trage er die Last der Welt auf den Schultern. Sein Gesicht hatte tatsächlich etwas Friesisches, das eher melancholisch als heiter, eher verschlossen als ausgelassen wirkte.
Es war weder das Gesicht eines harten Burschen noch das Gesicht eines Mannes, den man triezen konnte. Er hatte buschige, helle Brauen, darunter ausgeprägte Knochen, eine mehr hohe als breite Stirn, einen lichten, angegrauten Wuschelkopf, breite Nase, schmaler Mund, das Kinn lief spitz zu. Und es war das Gesicht eines Mannes der Wertschätzung witterte. Doch plötzlich veränderte sich sein Ausdruck, er blickte unsicher. »Wie komm Se denn grade auf mich?«
»Ich sprach mit jemandem, der beruflich mit dem St.-Ludgerus-Hospital zu tun hat. Man sagt über Sie, dass ihnen damals übel mitgespielt wurde, nachdem Sie einen Skandal aufgedeckt hatten. Ist diese Information richtig?«
Angestrengt hob er die Augenbrauen als Ausdruck schweren Nachdenkens. Dann legte er die Stirn in Falten, und als sie sich glättete, war sie voll weißer Linien, die rötlich anliefen. »Ach so, na, da komm Se mal rein.« Er wendete und schlurfte die Stufen hoch. »Warum komm Se denn erst jetzt, nach so langer Zeit?«, murmelte er vor sich hin, ich folgte ihm schweigend und blickte mich dabei um. Die Briefkästen erzählten, dass in diesem zweistöckigem Altbau ungefähr genauso viele Menschen wohnten, wie in einem mittleren Hochhaus oder es wurden immer neue Briefkästen montiert, wenn die alten überquollen. Es ging zwei Stufen hinauf, anschließend links in die Wohnung. Ich folgte Cornelius durch einen schmalen Flur in eine geräumige Wohnküche. Es war stickig, die Heizung lief auf Hochtouren, Temperatur auf Saunaniveau. Ich öffnete meine Jacke, um nicht ersticken zu müssen. Es war ein Wohnraum, in dem es sich gut leben ließ, solange man nicht übertrieb.
Das Interieur war in die Jahre gekommen. Hätte man die Wohnung Anfang der achtziger Jahre betreten, wäre einem nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Es gab jede Menge Platz für Bücher, gestapelt in hohen Regalen. Die Buchrücken wirkten alt und verschlissen, als habe Cornelius Bücher gesammelt, um sie wirklich zu lesen, oder er hatte sie aus der Inselbücherei geliehen und nie zurückgebracht. Sie waren wild übereinandergestapelt, ohne System, jederzeit einsturzgefährdet, sobald jemand an das Regal stieß. Readers Digest-Kunstlederrücken, zerfledderte Leinenbände, vergilbte Romane, Magazine, Zeitungen, Gesundheitsbücher aus der Zeit vor der Hochkonjunktur der Nahrungsmittelunverträglichkeit. Sie machten die Luft so trocken, dass ich Zellulose hüstelte, vielleicht war es aber auch das Nikotin in der Luft. Auf dem Küchentisch lag eine Zigarette im Ascher, die damit beschäftigt war, sich selbst zu rauchen. Der Ascher war voll, die Tischplatte verhunzt, als habe sie eine Zeitlang als Aschenbecher herhalten müssen. Unterm Tisch ein dicker, schmuddeliger Teppich, in dem sich ein Murmeltier eine Woche lang hätte verkriechen können, ohne dass seine Nase zum Vorschein gekommen wäre. Nahrung inklusive. In der linken Ecke stand ein schmaler Schreibtisch, der auf kosmetische Art aufgeräumt war, womöglich um unerwartete Besucher wie mich zufriedenzustellen. Die wenigen robusten Pflanzen auf der Fensterbank wären vermutlich in der Lage, eine Atomkatastrophe zu überstehen. Daneben eine alte, vergilbte Zeitung, vermutlich ein Keil für den unwahrscheinlichen Fall, dass das Fenster geöffnet wurde. An der Wand keine Bilder, nur eine Küchenuhr von Oma, darunter eine Küchenzeile, Spüle mit einem Abwasch von Tagen, Herd, Ofen, Kühlschrank.
Einige Fragen der SYNDIKATS-Redaktion an Tomas Cramer
Wo schreibst du am liebsten?
Antwort: Am heimischen Schreibtisch
Welches ist dein Lieblingskrimi?
Antwort: Rex Stout
Dein Lieblingskollege/Lieblingskollegin?
Antwort: Graham Jackman
Warum bist du im SYNDIKAT?
Antwort: zur Verbreitung, Förderung und Unterstützung kriminalschriftstellerischer Anliegen
Dein Lieblingswort?
Antwort: »Licht«
Dein Sehnsuchtsort?
Antwort: Das Meer
Dein Lieblingsgetränk?
Antwort: Tee
Dein Lieblingsmusik?
Antwort: northsea:groove (edm)
Wo findest du Ruhe?
Antwort: im Wald
Wo Aufregung?
Antwort: am Meer
Deine persönlich meist gehasste Frage?
Antwort: »Deine persönlich meist gehasste Frage«
("hihi", sagt die Redaktion des SYNDIKATS dazu - es gehört schon etwas dazu, "meist gehasste Fragen" zu stellen! ;-) )
Rezensionen
»Der Autor Tomas Cramer verleiht seinen Schauplätzen gerne ein Lokalkolorit, er ist ein Autor mit einem Gespür für Bilder. Die unkonventionellen Ermittlungsmethoden des Frank Gerdes, angereichert mit Humor, pointierten Dialogen und gut dosiertem Nervenkitzel werden zum Lesevergnügen. Den Leser des Krimis erwartet gute Unterhaltung im besten Sinne.«
Mediengruppe Kreiszeitung
Mit seiner herrlich frischen, geradezu ansteckenden Erzählweise und dem lockeren und mit teilweise humorigen Metaphern gespickten Schreibstil nimmt uns der Autor mit auf das winterliche Norderney, wo unter der Oberfläche eine sehr grausame Geschichte schlummert, die einmal angestoßen, mehr als nur ins Brodeln kommt. Damit ist hier eine äußerst spannende Mischung aus fiesen Machenschaften, persönlichen Schicksalen, kritischen Seitenhieben auf gewisse Vorgehensweisen und tollem Lokalkolorit gelungen.
Buchbloggerin Jeannette Lüders | Thalia und amazon (5 von 5 Sternen)
Der Schriftsteller Tomas Cramer hat seinen zweiten Kriminalroman mit dem Titel -Frostland- vorgelegt. Der Ort der Handlung befindet sich auf der Nordseeinsel Norderney, wo während eisiger Winterkälte zwei Morde das beschauliche Inselleben erschüttern. Der Autor Tomas Cramer verleiht seinen Schauplätzen gerne ein Lokalkolorit, das er aus eigenem Erleben gut kennt. Protagonist Frank Gerdes verkörpert einen sympathischen Anti-Helden mit Identifikationspotenzial. Die Schilderung seiner Ermittlungsarbeit und die Beschreibung der Handlungsorte zeichnen sich durch einen hohen Wiedererkennungswert aus. Nicht nur reale Straßenzüge und Gebäude werden authentisch beschrieben, auch die Figuren werden so treffsicher porträtiert, dass der Leser meinen könnte, die eine oder die andere Person bereits zu kennen.
Cramer ist ein Autor mit einem Gespür für Bilder. In präzisen erzählerischen Nahaufnahmen konzentriert er sich auf die Charaktere und deren Beziehungen, er lässt seinen Figuren in den Erzählsträngen Raum, um sich zu entfalten. Ländliche Idylle und ein gediegenes Kleinstadtpanorama verbergen schaurige Abgrände und fördern so manche Überraschung zutage. Die unkonventionellen Ermittlungsmethoden des Frank Gerdes, angereichert mit Humor, pointierten Dialogen und gut dosiertem Nervenkitzel werden zum Lesevergnügen. Cramers Geschichten kommen nicht ganz ohne Action, jedoch ohne blutrünstiges Szenario aus. Für den Autor stehen die psychologischen Hintergründe seiner Charaktere im Vordergrund. Fast immer geht es um verletzte Eitelkeiten, Schuld oder andere Dinge, die tief in der Seele schlummern. Für eine realistisch nachvollziehbare Abbildung seiner Roman-Ideen recherchiert Tomas Cramer intensiv an Orten, Institutionen und in Archiven. So bildet er ein sicheres Fundament für sein literarisches Schaffen. Auch autobiografische Erfahrungen und Begebenheiten fließen in die Texte ein.
Sowohl die Landschaften der norddeutschen Tiefebene als auch die große Weite und Einsamkeit in höheren nördlichen Breiten regen die Vorstellungskraft des Autors zu seinen schaurig-schönen Geschichten an. Die Liebe zur Natur und die Sehnsucht nach klarer, kühler Meeresluft begleiten Cramer seit Kindertagen. Er ist eben ein waschechtes Nordlicht. Sein neuer Roman -Frostland- sollte nicht nur Norderney-Fans neugierig machen: Den Leser des Krimis erwartet gute Unterhaltung im besten Sinne.
Mediengruppe Kreiszeitung