Stille Nacht, keiner wacht
Weihnachtskrimi
Maria Publig
Gmeiner-Verlag
Taschenbuch
Maria Publig
Maria Publig wurde in Wien geboren und verbrachte mit ihrer Familie viele Sommer im südlichen Waldviertel. Nach ihrem Studium arbeitete sie als Journalistin für Tages- und Wochenzeitungen. Später wechselte sie als Moderatorin und Redakteurin zum ORF. Bevor sie sich dem Krimischreiben zuwandte, schrieb sie Kultursachbücher, die international ausgezeichnet wurden. Wovon sie überzeugt ist: Für gute Gedanken und Kreativität muss man sich Zeit nehmen. Die gönnt sie sich zwischendurch - ziemlich oft im Waldviertel.Fragen der SYNDIKAT-Redaktion an Maria Publig
Wo schreibst du am liebsten?
In meiner gewohnten Umgebung
Welches ist dein Lieblingskrimi?
Da gibt es viele
Deine Lieblingskollegin/Lieblingskollege?
Mehrere
Dein Lieblingswort
Hoffnung
Dein Sehnsuchtsort?
Mein kleines Fischerhäuschen
Dein Lieblingsgetränk?
Himbeersaft
Dein Lieblingsmord?
Wer`s im Roman echt verdient hat und dann qualvoll
Wo findest du Ruhe?
Während Spaziergängen und durch Musik
Wo Aufregung?
Solche Orte meide ich
Deine persönlich meist gehasste Frage?
Gibt`s keine.
Das SYNDIKAT-Gewinnspiel
Wir verlosen 3 Exemplare von STILLE NACHT, KEINER WACHT. Die Frage: Welche Baumart ist die meistgenutzte als Weihnachtsbaum? Einsendungen bis zum 28.11.2022 per E-MailRezensionen
Rezensionen über die Waldviertel-Krimireihe:
„Eins-a-Milieustudie!“ („trend“-Wirtschaftsmagazin, Nr.11-2020)
„Freuen Sie sich auf kantige Charaktere, die auch in diesem Krimi wieder den ungewöhnlichen Plot der Handlung prägen.“ („Österreich“-Insider, 10.3.2021)
Der kleinen Fanny war inzwischen langweilig geworden, und sie stellte sich zum alten Franz Pichler. Sie sah ihm zu, wie er Tannen und Fichten durch eine Netzröhre schob und der Größe nach sortierte. Er versah sie mit Nummern und legte sie in den Lieferwagen. Knorrig und uninteressiert sah er nebenbei zur Kleinen. Als er keine Anstalten machte, mit ihr zu sprechen, richtete Fanny von sich aus das Wort an ihn.
»Was machst du da?«
Franz Pichler schnitt das Netz ab und zog es zur Gänze über den Baum. Dann hob er ihn auf und schubste auch diesen auf die Eingeschlichteten. Der alte Christbaumhändler richtete sich auf und nutzte die Gelegenheit, seinen Rücken durchzustrecken. Er sprach immer noch nichts, sondern sah das Kind ratlos an, als müsste er erst überlegen, ob er ihm antworten wollte.
»Arbeitest du mit dem Christkind zusammen?«, fragte Fanny weiter. »Ich meine, weil du so viele Bäume hast und ins Auto hineingibst.« Sie wartete weiterhin vergeblich auf seine Reaktion, blieb jedoch weiterhin beharrlich. »Wie sollte denn das Christkind die Bäume auch tragen können, wenn es noch so klein ist? Da musst du ihm ja helfen.« Fanny schaute den alten Pichler voller Freude erwartungsvoll an.
Franz Pichler nahm jetzt seine Wollmütze ab und kratzte sich nachdenklich an der Stirn. »Jaja, so ist es.« Dann zog er sie wieder über die Ohren. Ihm war offenbar kalt geworden, und einzelne Schneeflocken tänzelten ihm inzwischen um die Nase. Fast wie diese Kleine hier. Er knurrte daher: »Wir bringen dem Christkindl die Bäume. Später.«
»Da weißt du ja, wie es aussieht, das Christkind. Wirklich so wie in der Krippe dort vor der Kirche?«
Der Christbaumbauer räusperte sich hilflos. »Natürlich. Ganz genauso«, flunkerte er.
Fanny war schließlich noch im Alter, in dem man an das Christkind glaubte.
Vor Kurzem hatte er in einer der bunten Sonntagsbeilagen einer großen Tageszeitung gelesen, dass Kinder bis acht Jahre daran glaubten und es bis dahin auch wollten. Dann begannen sie zu zweifeln: an einem Kind, das durch die Luft fliegen sollte und Geschenke brachte. Spätestens da wurde ihnen klar, dass es so etwas nicht geben konnte. Generell. Im richtigen Leben. Dass das unmöglich war.
Zweifeln war wichtig, war der alte Pichler überzeugt. Denn nur wenn man zweifelte, konnten einem andere nichts mehr vormachen. Nicht mit einem machen, was sie wollten. Gut war es daher, wenn man mindestens zweimal hinhörte und nicht von vorneherein alles glaubte, was einem jemand erzählte. Ja, gewissermaßen – einredete. Auch wenn man es oft hörte. Gerne hören wollte. Sogar darauf vertraute. Dann enttäuscht war, wenn einem klar wurde, dass man getäuscht worden war.
So etwas war dem Pichler Franz oft in seinem Leben passiert. Dass er enttäuscht worden war. Von Menschen, an die er glaubte. Früher. Geglaubt hatte. Damals.
Von vielen hatte er so etwas wirklich nicht erwartet. Den persönlichen Verrat. Zum eigenen Vorteil. Denn etwas anderes war es ja nie gewesen.
Eine dieser Enttäuschungen hatte er geliebt. Sehr sogar. Na ja. Das war schon lang her. Schluss damit. Seitdem. Mit dem Vertrauen. Dem leichtsinnigen. In alles und jeden.