Geisterchoral
Alexander Pfeiffer


ISBN 978-3-9545-1999-6

10,90 € [D], 11,30 € [A]
Sänger, der Filmvorführer des Wiesbadener Caligari-Kinos,steckt in Geldnot. Als ihn seine Ex-Freundin mit einer brisanten Suche beauftragt, zögert er nicht lange und begibt sich auf die Jagd nach einem entfl ohenen Häftling. Sie führt ihn auf verschlungenen Wegen durch ein bedrohliches Wiesbaden. Sänger ahnt nicht, dass er erst mit seiner eigenen Geschichte ins Reine kommen muss, um den heraufbeschworenen Geistern zu entkommen.
Alexander Pfeiffer

© Felix Ostermann

Alexander Pfeiffer

Geboren 1971, lebt als freier Autor, Literatur-Veranstalter, Moderator und Leiter von Schreibwerkstätten in Wiesbaden.

Von 2007 bis 2014 hessischer Landesvorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller (VS), 2009 bis 2012 Jurysekretär für den Friedrich-Glauser-Preis (Krimipreis der Autoren) in der Sparte Debüt. Freier Mitarbeiter des Wiesbadener Literaturhauses Villa Clementine für das Wiesbadener Krimistipendium und den Wiesbadener KrimiMärz.

Neben drei Bänden mit Kurzgeschichten und vier Gedichtbänden veröffentlichte er die Wiesbadener Krimi-Trilogie „Im Bauch der Stadt“ (2005), „So wie durchs Feuer hindurch“ (2006) und „Das Ende vom Lied“ (2008 – alle Societäts Verlag, Frankfurt). Von 2010 bis 2012 gab er die Anthologiereihe „KrimiKommunale“ (Kommunal- und Schul-Verlag, Wiesbaden) heraus. 2014 erhielt er den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte Kurzkrimi für die Geschichte „Auf deine Lider senk ich Schlummer“ (aus: "Küche, Diele, Mord", KBV). 2016 erschien der erste Kriminalroman um den Filmvorführer Sänger unter dem Titel "Geisterchoral" (Emons Verlag, Köln), 2024 der zweite unter dem Titel "Terrorballade" (Edition Outbird, Gera).

Empfehlung der Woche

Geisterchoral ist die Empfehlung der Woche der SYNDIKATs-Redaktion vom 28. August 2017.

Kritikerstimmen

Ich wusste es schon immer: Ins Kino gehen verändert das Leben. Sie glauben mir nicht? Dann lesen Sie Geisterchoral mit Filmvorführer Sänger als Ermittler. Vielleicht ändert sich dann auch Ihr Leben.
Wolfgang Schorlau

Konnotationen […] ziehen rote Fäden durchs Buch und regen heftig zur Aufschlüsselung an – bis alle Hin- und Querverweise ihren Geisterchoral anstimmen.
Wiesbadener Kurier

Tatsächlich will Pfeiffer nicht nur unterhalten. Er schildert die Fliehkräfte unserer Gesellschaft – wohlstandsverwahrloste Jugendliche im Jihad, an den Rand gedrängte Migranten. Verbrechen und Moral in einer mittelgroßen deutschen Stadt: Wiesbaden.
Die Presse, Wien

Drei Fragen an Alexander Pfeiffer

Wann begann Ihre kriminelle Laufbahn?
2005. Da erschien mein erster Roman Im Bauch der Stadt. Ich dachte ursprünglich, es wäre einfach eine dunkle Geschichte. Wie sich beim Schreiben rausstellte, war es ein Krimi.

Wie viele Verbrechen gehen auf Ihr Konto?
Ich habe irgendwann aufgehört, mitzuzählen.

Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?
“Love is my only crime.” Klasse Zitat. Von wem es stammt, müssen Sie selbst rausfinden.

Leseprobe

1
 
Es war Mitternacht, es regnete. Sänger beschloss, dass es keinen Sinn machte, noch länger zu warten. Trocken würde er in dieser Nacht nicht mehr nach Hause kommen.
Er legte den Roman von James Sallis beiseite, in dem er gelesen hatte. Der Umschlag des Taschenbuchs war abgewetzt und zerknittert. Darauf war das Gesicht einer Frau zu sehen, liegend, im Profil. Die Augen geschlossen, schlafend möglicherweise. Oder tot. Die Konturen von Stirn, Nase und Kinn gelb angestrahlt von den leuchtenden Lettern des Buchtitels.
Sänger warf einen Blick aus dem Fenster, auf das im Laternenlicht glänzende Pflaster des Marktplatzes. Hinter ihm ruhten die beiden Fünfunddreißig-Millimeter-Projektoren wie schlafende Riesen im Dunkel seines kleinen Arbeitsraums. Oberhalb davon zogen die Abluftrohre eine silbrige Spur zur Entlüftungsanlage. Durch das schmale Fensterchen in der Wand zwischen den Projektoren war ein Ausschnitt der breiten, von einem schweren Vorhang eingefassten Leinwand auszumachen, irgendwo da draußen, ganz am Ende des Saals, in dem der Lichtstrahl aus dem Refugium des Filmvorführers Abend für Abend zu bewegten Bildern wurde.
Sänger löschte das letzte Licht, das von einer Bürolampe kam, und wechselte nach nebenan in den Schneideraum, wo er sich einen Stapel Filmrollen von der Ablage neben dem Umroller griff. Die Streifen dieses Abends, bereits entkoppelt und transportfertig. »The Kids are all right« war um halb sechs gelaufen: Julianne Moore als Lesbe – mit ein paar ziemlich heterosexuellen Bettszenen. »Stiller Sommer« war der Acht-Uhr-Film gewesen, Teil der Reihe »Neues Deutsches Kino« und genauso übel.
Sänger nahm die Stufen nach unten, packte die Filmdosen in den kleinen Lagerraum am Fuß der Treppe, löschte das Licht im Foyer. Draußen vor dem Kino, im Schatten der alles überragenden Marktkirche, angelte er nach dem Schlüsselbund in seiner Tasche, als er rechts von sich eine Bewegung spürte. Das Gesicht einer Frau tauchte aus dem Dunkel auf. Die Konturen von Stirn, Nase und Kinn angestrahlt vom Laternenlicht.
»Ich dachte schon, ich hätte dich verpasst.«
Sänger machte einen Schritt nach hinten, kniff die Augen zusammen. »Was zur Hölle ...«