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Polizei-Alltag - Real Cases und Kurioses

Real Cases und Witziges. (Folge 22)

REAL CASES - spannend, kurios, lustig und manchmal unglaublich, aber wahr!

Jörg Schmitt-Kilian (KHK a.D.) hat zahlreiche Bücher (u.a. einen SPIEGEL-Bestseller, auch als Kinofilm mit Uwe Ochsenknecht) und Themenhefte zur Früherkennung und Bewältigung von Krisensituationen (Amok, Drogen, Gewalt, school-shootings) mit einer Gesamtauflage von mehr als einer halben Million Exemplare veröffentlicht. In seinem Bühnenprogramm MÖRDERISCHES TRIO erklärt Schmitt-Kilian wie der Polizeialltag und „seine“ Kriminalfälle einzelne Szenen in seinen Romanen beeinflussen. Bei dieser literarisch-musikalischen Lesung erzählen Sängerin Anne Courbier und Gitarrist Dirk Steinert (www.jazztag.info) die spannendsten Textpassagen mit thematisch passenden Songs musikalisch weiter.

Aktuelle Veranstaltungen auf FACEBOOK und INSTAGRAM, weitere Infos: www.schmitt-kilian-aktuell.de

 Real Case Folge 22

 

 

 

 


 

SHIT HAPPENS,

nicht nur bei der Festnahme von Cannabisdealern

Ein Dealer, zwei Fahrräder und drei Kilo Heroin


„Es war einmal vor langer Zeit“: so beginnen die meisten Märchen, aber diese Geschichte ist wahr, „so wahr mir irgendjemand dort oben (oder wo immer er/oder sie residieren mag) helfe“.

Es geschah an einem 18. Mai gegen Ende der Siebziger Jahre.

Wieso kann ich mich nicht mehr an das Jahr, aber an das Datum erinnern?

Die Erklärung ist nachvollziehbar, besonders für diejenigen, die auf das Wohlwollen von Vorgesetzten (jene Förderer oder Verhinderer der dienstlichen Karriere) bei der nächsten Beurteilung hoffen und früher als andere befördert werden wollen.

Am 18. Mai feiern einige (wenige) Frauen und Männer im Polizeidienst dieses Datum wie Weihnachten und Geburtstag zusammen, denn nur einmal im Jahr ist am 18 Mai der Tag der Beförderungen von Polizeiangehörigen in Rheinland-Pfalz. Polizeimeister (PM) wurden in den 70er Jahren (da gab es noch den mittleren Dienst) zum Polizeiobermeister (POM) ernannt und durften auf die grüne geflochtene Schulterklappe einen silbernen Stern nähen. Polizeikommissare (PK, ohne Stern auf den beigen Schulterklappen) bekamen den ersten goldenen Stern und durften sich ab sofort Polizeioberkommissar (POK) nennen. Aber der Grundsatz „…nach Eignung, Leistung und Befähigung“ bei der Beförderung von auf Lebenszeit eingestellten Staatsdienern (und damit sind natürlich auch Frauen gemeint, aber in den Siebziger Jahren gab es noch keine Polizeivollzugsbeamtinnen bei der Schutzpolizei) wird nicht immer bei der Auswahl beachtet. Vielmehr beeinflussen persönliche Kontakte, „Wiedergutmachungen“ (weil er/sie beim letzten Mal nicht berücksichtigt werden konnte) oder die unbekannten „Leichen im Keller“ die Entscheidung der Beurteiler (meist Beamte des höheren Dienstes mit goldenen Sternen auf den Schulterklappen, die wir intern „Goldfasane“ nennen). Diese bewegten sich damals meist sehr auffällig, manchmal bunt geschmückt (weiße Handschuhe, weißes Hemd, goldene Kordel an der Schirmmütze, einige mit irgendwelchen Ehrenabzeichnen), aber sie waren weniger beweglich als Fasane. Einige erinnerten sich nicht mehr daran „aus welchem Stall sie kommen“, denn jeder hatte die Laufbahn im mittleren Dienst begonnen. Heute noch klingen dumme Sprüche einiger Dozenten an der Hochschule der Polizei in meinen Ohren. „Die Fraternisierung des mittleren mit dem gehobenen Dienst muss ein Ende haben“ oder „Es werden zu viele Kommissare geduzt“ und die unglaublichste Aussage eines Dienststellenleiters zu einem „frisch gebackenen“ Kommissar. „Nun gehören Sie auch zu den Menschen und ab heute können wir uns duzen.

Ich habe das großzügige Angebot mit dem Hinweis, ich könne einen „erfahrenen Polizeiführer erster Couleur“ nicht duzen, dankend abgelehnt und er hat nicht verstanden, wie ich es gemeint habe.

Die Stellen des höheren Dienstes (Besoldungsgruppen A13-A16, vom Rat bis zum leitenden Direktor) waren in den 70ern „dünn gesät“ und an einem Gymnasium in Rheinland-Pfalz standen mehr Studienräte und Direktoren auf dem Stellenplan als bei der gesamten Landespolizei.

Aber nun zu der Story, die sich durchaus als Szene in einem Roman oder Film eignen würde.

Nach langwierigen Ermittlungen, dem Aufschalten einer Telefonüberwachung und dem Einsatz eines verdeckten Ermittlers konnten wir an jenem 18. Mai das Geschäft über 3 Kilo Heroin (an den vereinbarten Preis kann ich mich nicht mehr erinnern) „eintüten“. Der VE hatte eine Übergabe in einem Stadtpark vereinbart. Da wir aus dem nahegelegenen Gebäude einer WaPo-Station (von uns auch despektierliche „Entenpolizei“ oder Wasserschmutzpolizei genannt, aber die bezeichneten uns ja auch als Hasch-Papies) den Park vom oberen Stockwerk des Gebäudes gut beobachten konnten, hatten wir dort unsere Einsatzleitung eingerichtet. Im Treppenhaus begegneten uns einige Kollegen der Wapo in dienstlich gelieferter Sportkleidung (kurze grüne Hosen, grüne Turnschuhe und weiße Shirts mit Aufdruck „POLIZEI“). Sie schleppten Bierkisten, Grillmaterial, einen Eimer mit Kartoffelsalat und einen riesigen Brötchenkorb nach oben. Unsere Frage nach dem Anlass erübrigte sich aufgrund des Datums. Nach deren Auskunft wurden an diesem Tag sogar drei Beamte der kleinen Station befördert und ich dachte mit Blick auf den Rhein an das Sprichwort „Die einen rudern, die anderen angeln“.

Aber zurück zum Einsatz des Rauschgiftkommissariats mit Unterstützung einer Observationsgruppe des MEK (Mobiles Einsatz Kommando). Nachdem der VE dem Dealer das Geld (deponiert im Kofferraum des auf dem Parkplatz abgestellten amerikanischen Straßenkreuzers) gezeigt hatte, bat unser „Geschäftsfreund“ den VE kurz auf ihn zu warten. Wir informierten die weiträumig um den Stadtpark wartenden MEK-Observanten (das Kommando hatte eine sogenannte „Glocke“ aufgebaut), dass der Zugriff zeitnah erfolgen könnte. Zu unserer Überraschung kam der Dealer bereits nach wenigen Minuten wieder zurück, aber nicht mit dem Stoff, sondern mit zwei Fahrrädern. Er forderte den ebenfalls erstaunten VE auf mit ihm in den nahegelegenen Wald zu radeln. Wir hatten bei der Anbahnung des Geschäftes nicht mit einer derart cleveren Strategie des aus unserer Sicht „einfach strukturierten“ Heroinverkäufers (das war noch nett formuliert) gerechnet, aber Man(n) täuscht sich nicht mehr als in Menschen! Da wir bei diesem Einsatz mit einer geplanten „Lösung vor Ort“ keine Fahrräder mitgeführt hatten konnten wir die beiden weder mit Fahrzeugen noch auf „Schusters Rappen“ verfolgen, denn wer unerkannt observieren will, darf selbst nicht erkannt werden. Die beiden radelten nun - wie zwei gute Freunde - an diesem sonnigen Tag in Richtung eines Baggersees, wo die drei Kilo übergeben werden sollten. Für den Transport hatte der Dealer an seinem Fahrrad eine Satteltasche befestigt. Da der Geldkoffer noch im Auto deponiert war, konnten wir den Dealer nun doch noch festnehmen und ermöglichten dem VE die Flucht. In der Hektik des Geschehens trat er so kräftig in die Pedale, sodass die Kette des alten Fahrrades riss und er zu Boden stürzte. Da wir dem Dealer sofort nach der Festnahme eine Pudelmütze (mit Schlitz nach hinten) übergezogen hatten, konnte er nicht erkennen, dass die Verfolger dem Gestürzten wieder auf die Beine stellten und so seine Flucht „per pedes“ ermöglichten.


RC 22 Schulterklappen PHW PM PHM

 RC 22 K 15

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fotos privat:

Schulterklappen mit den Dienstgradabzeichen PM, POM und PHM,

Das Team nach erfolgreichem Abschluss des Einsatzes als Erinnerung für die Familienalben.

 

Real Cases und Witziges. (Folge 21)

REAL CASES - spannend, kurios, lustig und manchmal unglaublich, aber wahr!

Eiskalter Mörder und lauwarme Frauenleiche

SYNDIKATS-Mitglied erwischt einen Mörder „auf frischer Tat“

In meinen Real Case Folgen Nr. 15-18 nannte ich die Heroindealerin JENNY „eiskalte Mörderin auf Raten“ und erinnerte mich beim Schreiben dieser Artikel auch an die Festnahme des Mörders, der wenige Minuten vor meinem Eintreffen eine Frau in ihrer Wohnung erwürgt hatte.

Die Story mag auf den ersten Blick unglaublich erscheinen. Hätten Sebastian Fitzek, Arno Strobel oder Andreas Gruber diese Situation in einem ihrer Thriller geschildert, würde man den Syndikatskollegen eine rege Fantasie unterstellen. Dabei können sich „Normalbürger“ (und selbst manche Syndies) nicht vorstellen, was wirklich im Polizeialltag „zwischen Himmel und Erde“ (ausnahmsweise nicht das rheinland-pfälzische Spezialgericht gemeint) geschieht, denn was in der Realität geschieht, ist oft unglaublich und übertrifft die blühendsten Autoren-Fantasien (wobei ich selbstverständlich Autorinnen miteinschließe, deren Fantasien manchmal noch „grausamer“ sind). Ich habe in meinem Vortrag „Kluftinger und Eberhofer würden staunen“ auf der CRIMINALE in Darmstadt unglaubliche Einsätze beschrieben, aber dieser real case ist einer meiner herausragendsten Fälle aus der aktiven Dienstzeit.

 Real Cases Folge 21

 

 

 

 


 

Ein eiskalter Mörder, eine noch warme Frauenleiche und ein junger mutiger Polizeimeister

Ich war nach erfolgreichem Abschluss der FACHPRÜFUNG I an der Landespolizeischule in den Einzeldienst zurückgekehrt und froh, endlich wieder „auf der Gass“ arbeiten zu können. Nach fünf Jahren und vier Monaten wurde ich gemäß REGELBEFÖRDERUNGSGESETZ – gegen diese Beförderung kann der deutsche Polizeivollzugsbeamte keinen WIDERSPRUCH einlegen - zum POLIZEIMEISTER ernannt, denn es ist auch noch kein „POLIZEIMeister vom Himmel gefallen“. Wieso die normale Beschäftigung eines Schutzpolizisten „EINZELDIENST“ genannt wird, habe ich bis heute nicht verstanden, denn laut POLIZEIDIENSTVERORDNUNG (PDV 100?) darf man aus Gründen der EIGENSICHERUNG nie allein auf Streife gehen.

An jenem ereignisreichen Tag war ich mit PHM Blesch auf Fußstreife. Blesch wollte mir sein Revier zeigen und mich „ortskundig machen“. Die südliche Vorstadt gehörte zwar zum Dienstbezirk der „Münzwache“, dem 1. Polizeirevier inmitten der Altstadt (in Anlehnung an die berühmte Hamburger Schwester auch „Koblenzer Davidwache“ genannt), aber in Beschs Revier waren wir aufgrund der Entfernung eher selten zu Fuß unterwegs.

Ich fuhr mit einem VW-Käfer 1200 zur Wache am Hauptbahnhof. PHM Blesch wollte nicht schon von der Wache „auf Schusters Rappen“ zur Fußstreife starten, sondern ich sollte ihn bis zur Grenze seines Reviers fahren. Beim Einsteigen ächzte die Karosserie des VW-Käfers lautstark und der Wagen neigte sich aufgrund des vom Polizeiarzt festgestellten „Schlachtgewichts“ (so nannte Besch es selbst!) stark zur Beifahrerseite. Blesch war ein netter Kerl (untersetzte Figur mit kulinarischer Zone rund um den Bauch, waffenscheinpflichtige Hände und einer stattlichen Körpergröße von einsachtundneunzig) und als Kontaktbereichsbeamter im Tagdienst für die südliche Vorstadt zuständig. Blesch behauptete, er kenne alle „verborgenen Ecken“ und zeigte im Vorbeifahren auf die Hinterhöfe, in denen Autofirmen, Druckereien und andere handwerkliche Betriebe ihre Werkstätten hatten. Bei einem dringenden Einsatz könne man diese Örtlichkeiten bei Dunkelheit nur schwer aus dem Streifenwagen erkennen und daher sei diese „Erkundungsfahrt“ für junge Beamte wichtig, um rechtzeitig an einen Einsatzort in seinem Revier zu gelangen, denn er habe auf der nur tagsüber geöffneten Wache um 17:00 Uhr Feierabend. Aber „Gott sei Dank“ sei in seinem Revier noch nichts passiert und das solle auch so bleiben.

Blesch bat mich zunächst zum Busunternehmen Kilian in der Laubach zu fahren, dort könnten wir am Ende seines Reviers den Streifenwagen parken und noch ein paar Schritte zurückgehen. Der ältere Kollege (kurz vor der Pensionierung) konnte weder ahnen, dass der in Koblenz bekannte (einzige) Busunternehmer mein künftiger Schwiegervater war (ich trug noch meinen „Mädchennamen“ und war für ihn nur PM Schmitt) noch konnte er wissen, dass ich in „seinem Revier“ schon gewildert hatte. In der Sturm- und Drangzeit feierten meine Freunde und ich in den Wohnkommunen mit den GP-Mäuschen (so nannten sie sich selbstironisch, weil sie an der Erziehungswissenschaftlichen Hochschule Grundschulpädagogik studierten) in der südlichen Vorstadt bis in die frühen Morgenstunden. Blesch ahnte auch nicht, dass es in der „Milchbar“ alles gab, außer Milch und dort oft ein süß-würziger Geruch durch den schmalen dunklen Raum hinweg zog, wenn der Discjockey seine Platten auflegte (runde schwarze Scheiben mit einem Loch in der Mitte).

Nachdem Blesch mit Alois Kilian (der mich nur angrinste und den „jungen Schutzmann nach dem Namen fragte) sein „zweites Frühstück“ eingenommen hatte - will heißen, zwei Schnäpschen („auf nur einem Bein kann man nicht - auf Fußstreife - gehen“) - gingen wir endlich los. Minuten später ertönte die Stimme des Funksprechers der Einsatzleitstelle über das Handfunkgerät, das Blesch eigentlich nicht mitnehmen wollte („in meinem Revier passiert nix, alles in Lot!“).

„Hier Mosel an alle, Mosel an alle im Stadtgebiet, Mosel kommt mit Ringalarmfahndung, …“

und es die Adresse und genaue Angabe des Tatorts in dem Mehrfamilienhaus gegenüber ein „soeben verübter Mord“ mitgeteilt. Ich rannte los. Blesch wollte mich n zurückhalten. Wollte sich kurz vor der Pension nicht in Lebensgefahr begeben. Verständlich, aber vergeblich. Dann humpelte er hinter mir her.

Hinter der Wohnungstür im Erdgeschoss hörten wir ein Schluchzen und unverständliche Wortfetzen.

Ich zog meine Pistole aus dem Holster und blickte Blesch an. Der trug noch die große Pistolentasche für die größere Waffe bei der Bereitschaftspolizei am Gürtel. „Willst du nicht deine Waffe in die Hand nehmen?“, flüsterte ich. Blesch zuckte mit den Schultern und öffnete seine Pistolentasche, aus der statt einer Waffe nur zerknülltes Pergamentpapier und ein angebissenes Salamibrot herausragte, der Rest des zweiten Frühstücks.

„Willst du den Mörder etwa mit Salamischeiben bewerfen?“, fragte ich verwundert und trat die Wohnungstür ein.

Der Mörder saß auf einem Stuhl, weinte und telefonierte mit der einen Hand. Mit der anderen streichelte er liebevoll die Hände der Frau auf der Couch, die er soeben erwürgt hatte. „Warum hat Sie das gemacht?“ fragte er mit zitternder Stimme die Person am anderen Ende der Leitung, ließ sich von mir (ohne Belehrung!) widerstandslos die Handschellen anlegen, mit denen ich ihn an der Heizung fixierte.

Während Blech per Funk der Einsatzleitstelle die aktuelle Situation mitteilte, versuchte ich die Tote vergeblich zu reanimieren. Da Blesch inzwischen die Wohnung verlassen hatte, weil dort (angeblich?) keine Funkverbindung zustande kam, griff ich danach zum Telefon (aus dem eine Stimme schrie „Was ist passiert?“) und erfuhr nun, wieso die Leitstelle den Funkspruch kurz nach der Tat und mit einer exakten Tatortbezeichnung absetzen konnte.

Nachdem die ersten beiden Streifenwagen, Kollegen vom Kriminaldauerdienst und der Notarzt eintrafen, verließen Blesch und ich den Tatort, um unseren Bericht über den sogenannten „ersten Angriff“ zu schreiben. Vor der Tür verschlang der Polizeihauptmeister noch den Rest seiner Salamistulle und murmelte mit vollem Mund „Spreche Lob und Anerkennung aus! Haben wir gut gemacht!“ Was war geschehen? Die Lösung des Falles steht im Rapportbericht der Einsatzleitstelle

 

Rapport

 1979 Beförderung zum PM foto dieter hoffmann

 

 

 

 

 

 
Beförderung zum Polizeimeister. Foto: Dieter Hoffmann

 

Jörg Schmitt-Kilian (ehem. Drogenfahnder und KHK a.D.) hat zahlreiche Bücher (u.a. einen SPIEGEL-Bestseller, mit Uwe Ochsenknecht verfilmt) und Themenhefte zur Früherkennung und Bewältigung von Krisensituationen (Drogen, Gewalt, school-shootings) mit einer Gesamtauflage von mehr als einer halben Million Exemplare geschrieben. Im September ist ENTFÜHRT der vierte Krimi seiner Serie „Neben der Spur“ erschienen.

 

Real Cases und Witziges. (Folge 20)

REAL CASES - spannend, kurios, lustig und manchmal unglaublich, aber wahr!

Der (fiktive?) Polizist Andreas Müller erinnert sich in unserer „real-cases-Serie“ an seine polizeiliche Dienstzeit. Er blickt zurück auf „Streifengänge“ als Schutzpolizist und spektakuläre Ermittlungen bei der Kripo, aber auch auf „private“ Ereignisse im Beruf, die ihm sehr viel Spaß bereitet haben. Da Müller als NÖEB (nicht öffentlich ermittelnder Beamter) später bei verdeckten Ermittlungen im Drogenmilieu eingesetzt war, möchte er seine wahre Identität verbergen. Er bietet uns jedoch einen „unverblümten“ Blick hinter die Kulissen des Polizeialltags in jener Zeit „als die Polizei noch Käfer fuhr“. Müller (Gitarrist der ehemaligen Syndikatsband deren Name ja auch „Streng geheim“ war) möchte aus Angst vor Repressalien und drohenden Dienstordnungsverfahren (Verstoß gegen die „Ormetà“ und „Beschmutzung des Berufsstandes“) weiterhin „unter dem Asphalt leben“. Müller denkt an kuriose Begegnungen, außergewöhnliche Ermittlungsmethoden und effektive Überwachungsstrategien und an Menschen, die der Polizei nicht immer freundlich begegnet sind. Er ist „der festen Überzeugung“ (so reden Politiker auch immer) er sei stets „Freund und Helfer“ für Menschen in Notsituationen gewesen.

 Real Cases Folge 20

 

 

 

 


 

Ein Käfig voller Narren und im „Bullenkloster“ tobt der Saal

In der Wochenendausgabe der RZ hatte unser Protagonist Andreas Müller zahlreiche Berichte über „Kappensitzungen“ in der Region gelesen. Mit jedem Artikel tauchen mehr Erinnerungen an „seine närrische Zeit“ auf, besonders an Schwerdonnerstagssitzungen des CCPP (Carnevals-Club-Polizei-Präsidium) in der Kantine des Polizeipräsidiums. Bereits Wochen vorher planten karnevalsbegeisterte „Mitarbeitende“ dieses jährliche Ereignis und opferten viele Arbeitsstunden (nicht nur zu dienstlich „ungünstigen Zeiten“). Böse Zungen behaupteten „arbeitsmäßig zurückhaltende“ Beamte würden bis dato nicht gekannte Aktivitäten entwickeln und sich besonders stark engagieren. Ein beliebtes Wortspiel zu jener Zeit war jedoch „Böse Münder behaupten…“, denn der Leiter der Schutzpolizei hieß Boese und der Familienname seines Stellvertreters war Münder.

Viele Butze stiegen in die „Bütt“ und berichteten in humorvollen Reden und Musikbeiträgen über lustige Ereignisse des vergangenen Jahres. Aber was wären närrische Tage ohne Frauen? Bei der Schutzpolizei waren zwar noch keine Polizeivollzugsbeamtinnen aber viele weibliche Polizeiverwaltungsangestellte (wäre „Angestelltinnen“ die korrektere Bezeichnung?) die Schautänze einstudierten und fantasievolle Kostüme für ihren Auftritt nähten (manchmal auch während der Dienstzeit in der „Kleiderkammer“. Nachdem die Kolleginnen wiederholt den Wunsch geäußert hatten, sie würden sich über ein Männerballett bei der Schwerdonnerstagssitzung freuen wagten wir auch den Sprung auf die närrische Bühne, nachdem die Damen uns „gewagte“ Kostüme geschneidert hatten. Müller kann sich noch an die weiblichen Zurufe „Ausziehen! Ausziehen!“ erinnern. Dieses Verhalten würde heute einen „Aufschrei“ auslösen, denn Frauen und Männer sind doch „gleich“, oder?

Prinz und Gefolge wurden in der närrischen Jahreszeit w von zwei Kradfahrern der Polizei begleitet (auf dem Foto bei der Erstürmung des III. Korps). Auch der Besuch der Schwerdonnerstagsitzung im Präsidium gehörte zum „Pflichtprogramm“ für Karnevalsprinzen, die keinen Respekt vor der Staatsmacht kannten, Polizeipräsident Helmut Wintrich fesselten und die Hausherrschaft übernahmen.

Nach dem Ende der Sitzung „versackte ein harter Kern“ in der Sektbar im Nebenraum der Kantine bis in die frühen Morgenstunden und Freitag war ein „gemeinsames Reinemachen“ angesagt.

Mit dem Dienstantritt des neuen Präsidenten endete zunächst die Großzügigkeit des alten „Hausherrn“ aber Narren können hartnäckig sein. Nach einer kurzen „Durststrecke“ gründeten jüngere Kolleginnen und Kollegen den „gemeinnützigen“ FCCP (Fastnacht-Club-Polizei-Präsidium), sodass das Zelebrieren des rheinischen Brauchtums zur Freude der Belegschaft wieder stattfinden konnte.

FCCP, Präsident und Butze, ein dreifach donnerndes Kowelenz olau! Kowelenz olau! Kowelenz olau!


 RC 20 LA 07 22 02 F II Männerballett

 

 

 

 

 

 

 

 

 RC 2o LA 07 23 01 08 22 01Jansen Karneval 1975 1 Kopie

 

 

 

 

 

 

 

 Karneval 1975, Foto: Jansen

 

Jörg Schmitt-Kilian (ehem. Drogenfahnder und KHK a.D.) hat zahlreiche Bücher (u.a. einen SPIEGEL-Bestseller, mit Uwe Ochsenknecht verfilmt) und Themenhefte zur Früherkennung und Bewältigung von Krisensituationen (Drogen, Gewalt, school-shootings) mit einer Gesamtauflage von mehr als einer halben Million Exemplare geschrieben. Im September ist ENTFÜHRT der vierte Krimi seiner Serie „Neben der Spur“ erschienen.

 

Real Cases und Witziges. (Folge 19)

REAL CASES - spannend, kurios, lustig und manchmal unglaublich, aber wahr!

Der (fiktive?) Polizist Andreas Müller erinnert sich in unserer „real-cases-Serie“ an seine polizeiliche Dienstzeit. Er blickt zurück auf „Streifengänge“ als Schutzpolizist und spektakuläre Ermittlungen bei der Kripo, aber auch auf „private“ Ereignisse im Beruf, die ihm sehr viel Spaß bereitet haben. Da Müller als NÖEB (nicht öffentlich ermittelnder Beamter) später bei verdeckten Ermittlungen im Drogenmilieu eingesetzt war, möchte er seine wahre Identität verbergen. Er bietet uns jedoch einen „unverblümten“ Blick hinter die Kulissen des Polizeialltags in jener Zeit „als die Polizei noch Käfer fuhr“. Müller (Gitarrist der ehemaligen Syndikatsband deren Name ja auch „Streng geheim“ war) möchte aus Angst vor Repressalien und drohenden Dienstordnungsverfahren (Verstoß gegen die „Ormetà“ und „Beschmutzung des Berufsstandes“) weiterhin „unter dem Asphalt leben“. Müller denkt an kuriose Begegnungen, außergewöhnliche Ermittlungsmethoden und effektive Überwachungsstrategien und an Menschen, die der Polizei nicht immer freundlich begegnet sind. Er ist „der festen Überzeugung“ (so reden Politiker auch immer) er sei stets „Freund und Helfer“ für Menschen in Notsituationen gewesen.

 Real Cases Folge 19

 

 

 

 


 

In der närrischen Jahreszeit steigen auch „Butze“ in die „Bütt“

Die fünfte Jahreszeit wirft ihre Schatten voraus und bald werden die ersten Jecken nicht nur in geschlossenen Räumen, sondern auch auf den Straßen tanzen, denkt Andreas Müller, als ihm bei der morgendlichen Lektüre der Rhein-Zeitung das Foto mit hübschen Mädchen einer Koblenzer Ballettschule über eine Karnevalssitzung nicht nur „ins Auge springt“. Der pensionierte Polizeibeamte erinnert sich noch gut an die Schwerdonnerstagsitzungen des CCPP (Carnevals-Club-Polizei-Präsidium) in der Kantine vom „Mutterhaus der Polizei“. Polizeipräsident Helmut Wintrich (auch Party-Präsident genannt) war „dem rheinischen Karneval freundlich gesinnt“ und genoss jedes Jahr seine Festnahme durch die Stadtsoldaten des Prinzen (siehe Foto). Und so begannen bereits Monate vor den närrischen Tagen –mit ausdrücklicher Erlaubnis des Dienstherrn während der regulären Dienstzeit - die ersten Vorbereitungen. Einige Karnevalsjecken entwarfen Büttenreden, andere probten akrobatische Tanzeinlagen und die Hausmeister kümmerten sich um Technik und Aufbau einer großen Bühne für den „Elferrat“. Besonders kreativ war Molly vom Erkennungsdienst, der nach einem Motiv der „Münz“ - dem berühmt berüchtigten Koblenzer Altstadt-Revier – mit Blick auf die „große Schwester“ in Hamburg „Koblenzer „Davidwache“ genannt – jedes Jahr außergewöhnliche Karnevalsorden „bastelte“. Diese Orden sind bei Koblenzer Karnevalisten immer noch als „Sammlerobjekte“ begehrt. Einer der Höhepunkte (sage man damals schon high-light?) war Müllers Auftritt mit dem CCPP-Trio, das jedes Jahr den „Bullenstall“ zum Toben brachte. Müller sammelte im „Berichtsjahr“ lustige (teils noch unbekannte) Ereignisse des vergangenen Jahres und schrieb Texte, die das Trio mit bekannten Songs und Karnevalsliedern auf der Bühne präsentierten.

Zu dieser als „närrischer Geheimtipp“ bekannten Veranstaltung (heute würde man Event sagen) wurden ausschließlich befreundete Behörden eingeladen. Nachdem jedoch im Zuschauerkreis mehrere „amtsbekannte“ Personen (Loddel, Luder und Lolitas) erkannt wurden, musste der Verkauf der Eintrittskarten und der Zutritt (gefälschte Karten?) kontrolliert werden, denn Müller hatte in einem Song das Leben einer bekannten Koblenzer Lebedame (datt  Kowelenzer Nitribitt, iss su goldisch in der Mitt).

Aber er hatte auch harmlosere Texte verfasst, unter anderem auf die Melodie „Heile heile Gänsche“ eines bekannten Karnevalslieds des Mainzer „Fassenachters“ Ernst Neger ein Schunkellied (Anmerkung. Neger darf man schreiben, weil es ein Familienname ist).

Wie schnell gieht doch e Johr vorbei, unn eh mir uns umsehn,

 iss Fassnacht wieder do, unn mir stien off der Bühn.

Dat Liedeche watt mir mitgebracht,

datt dot erst rischtisch klinge,

wenn alle Butze hei im Saal,

dä Refrain mit uns don singe:

 unn jetz kütt et:

KNEIF DIR IN DE BOBBES, STELL DICH OFF DE KOPP,

LOS DIE POPPE DANZE, WALZER UNN FOXTROTT.

DENN DAT KURZE LEWE GIEHT VIEL ZO SCHNELL VORBAII,

UNN WENN DE DANN BEIM PETRUS BISS, ISS AUS MIT NARRETEI! OLAU!

Anmerkung der Redaktion. SYNDIES, für die „Kowelenzer Platt“ eine Fremdsprache ist, und „Rechtschreibfahndern“ bietet der Autor eine Übersetzung an. Anfragen gerne per E-Mail 

 


 RC 19 LA 08 22 aus 06 21 Polizei Karneval 1979 02 Foto Gerd Schuth

 

 

 

 

 

 

 

Foto: Gerd Schuth

 

 RC 19 LA 06 23 01 CCPP Quartett 1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jörg Schmitt-Kilian (ehem. Drogenfahnder und KHK a.D.) hat zahlreiche Bücher (u.a. einen SPIEGEL-Bestseller, mit Uwe Ochsenknecht verfilmt) und Themenhefte zur Früherkennung und Bewältigung von Krisensituationen (Drogen, Gewalt, school-shootings) mit einer Gesamtauflage von mehr als einer halben Million Exemplare geschrieben. Im September ist ENTFÜHRT der vierte Krimi seiner Serie „Neben der Spur“ erschienen.

 

Real Cases und Witziges. (Folge 18)

REAL CASES - spannend, kurios, lustig und manchmal unglaublich, aber wahr!

Bereits seit 17 Artikeln der KRIMIPEDIA-Serie „Real cases“ gewährt uns Jörg Schmitt-Kilian einen Blick hinter die Kulissen des wahren Polizei-Alltags. Seit drei Folgen berichtet er über einen seiner „anrührendsten Fälle“, wie Fernsehmoderator Dr. Wieland Backes den Film JENNY und das anschließende Interview mit unserem SYNDIKATS-Kollegen ankündigt. Heute erinnert sich Schmitt-Kilian an ein „unappetitliches“ Erlebnis im Rahmen der Ermittlungen gegen die Heroindealerin Jenny Fischer (im Film dargestellt von Julia Richter).

 Real Cases Folge 18

 

 

 

 


 

Jenny – Fixerin auf Männer-WC

Da mich in der Kleinstadt hunderte Kilometer von Koblenz entfernt niemand kannte konnte ich als sogenannter „NOEB“ (nicht öffentlich ermittelnder Beamter) verdeckt ermitteln und hautnah beobachten, wie die Dealerin einem Mädchen auf dem Bahnhofsvorplatz mehrere pac Heroin übergab. Da Jenny bei jedem Deal die Umgebung abcheckte und in meine Richtung blickte steuerte ich zielgerichtet auf die Bahnhofstoilette zu, denn wer unentdeckt beobachten will darf selbst nicht erkannt werden.  Vor dem Männer-WC wartete ein schmächtiges Kerlchen in einem blauen Blouson und zog nervös an einer Zigarette. Ein kräftiger Mann in orangefarbenem Overall versperrte mir den Zutritt und murmelte „dringende Wartungsarbeiten“ aber dem Mann in dem blauen Blouson genehmigte er den Zutritt und flüsterte „Letzte Kabine“.  Ich ahnte noch nicht, dass sich die teils minderjährigen Mädchen in den Kabinen der Männertoilette mit „blowjobs“ das Geld für den Stoff verdienten, und verzichtete auf eine Auseinandersetzung mit dem „Türsteher“. Hätte ich dem Zuhälter meine Kripomarke gezeigt, wäre ich „verbrannt“ und hätte nicht mehr verdeckt ermitteln können. Als ich den „Rückzug antrat“, kam ein Mädchen aus der Toilette gerannt und erbrach sich vor meinen Augen. „Was klotzt du so? Verpiss dich!“ schrie sie mich an, und mir fiel in dem Moment nur das Wort „Mahlzeit“ ein. Mein Magen rebellierte, aber nicht wegen der unappetitlichen Szene. Da hatte ich Schlimmeres erlebt, aber was mich seinerzeit berührte: einige der heroinabhängigen Mädchen gingen noch zur Schule, waren nur unwesentlich älter als meine Söhne.

Anmerkung: Dieser wahre Kriminalfall wurde vom SWR in der Fernsehserie „Kommissare Südwest“ mit dem Titel JENNY (in der Hauptrolle Julia Richter) verfilmt. Andreas Herder spielte die Rolle von Jörg Schmitt-Kilian, der auf eine eigne Rolle verzichtet hatte.  Eine DVD und Interview mit Dr. Wieland Backes (SWR-Nachtcafé) kann zum Preis von 14,85 €, (inkl. Versandkosten) beim TZ-Verlag bestellt werden.


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 LC 18 40 24 02 JENNY Drehbuch Toilette 02

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

© Fotos: SWR media, Drehbuchauszug: Benedikt Röskau

Jörg Schmitt-Kilian (ehem. Drogenfahnder und KHK a.D.) hat zahlreiche Bücher (u.a. einen SPIEGEL-Bestseller, mit Uwe Ochsenknecht verfilmt) und Themenhefte zur Früherkennung und Bewältigung von Krisensituationen (Drogen, Gewalt, school-shootings) mit einer Gesamtauflage von mehr als einer halben Million Exemplare geschrieben. Im September ist ENTFÜHRT der vierte Krimi seiner Serie „Neben der Spur“ erschienen.

 

Real Cases und Witziges. (Folge 17)

REAL CASES - spannend, kurios, lustig und manchmal unglaublich, aber wahr!

Unser SYNDIKATS-Mitglied Jörg Schmitt-Kilian (Ex-Drogenfahnder und KHK) erinnerte sich in den letzten Real Case Artikeln an seine ersten Dienstjahre bei der Schutzpolizei und später an verdeckte Einsätze im Rauschgiftkommissariat. Dort wechselte er die Uniform mit Latzhose, Schimanski-Jacke, Cowboystiefeln und anstelle des militärisch kurzen Haarschnitts trug er schulterlange Haare, Vollbart und ließ sich zwei Ohrringe stechen. Schmitt-Kilian ermittelte verdeckt bei Open-Air-Festivals auf der „Loreley“ hoch über dem Rheintal, bei „Rock am Ring“ in der Eifel auf dem Nürburgring und beim Techno-Event „Nature One“ im Hunsrück. An der rechten Wade hatte er in einem speziellen Holster einen kleinen Revolver mit 2 Patronen für den Worst Case umgeschnallt. Damit er vor einem Schusswaffengebrauch nicht seine Hose nach unten ziehen musste, trug er bei diesen Sondereinsätzen eine sogenannte „Schnell-Fi..-Hose“ mit einem unteren Reißverschluss.  Ab Real Case Nr. 15 wirft Schmitt-Kilian einen Blick hinter die Kulissen der Produktion des Fernsehfilms JENNY, den der SWR nach einem wahren Fall aus einem von Schmitt-Kilians Erstlingswerken verfilmt hat. Die inzwischen sehr bekannte Julia Richter spielt die Heroindealerin Jenny Fischer und Andreas Herder schlüpft in die Rolle von Kriminalhauptkommissar Schmitt-Kilian. Heute erinnert sich unser langjähriges SYNDIKATS-Mitglied an dieses Betäubungsmittelverfahren bei dem die Drogenfahnder mehr als nur eine Überraschung erlebten.

 Real Cases Folge 17

 

 

 

 


 

Jenny und die Mutter der Fixerin

Im letzten Artikel berichtete ich über die ersten kriminaltaktischen Maßnahmen (Aufschalten einer Telefonüberwachung nach richterlichem Beschluss, Antrag auf Erstellen eines „Bewegungsbildes“ durch eine Observationsgruppe des MEK) in dem Ermittlungsverfahren gegen eine (bis dato polizeilich nicht in Erscheinung getretenen) Jenny Fischer wegen Heroinhandels. Wir konnten inzwischen weitere Puzzleteile zu einem – leider noch unvollständigen und nicht beweiskräftigen - Bild zusammensetzen.  Nach dem aktuellen Ermittlungsstand wäre es ohne die Sicherstellung einer nicht geringen Menge Drogen schwierig, der Dealerin den gewerbsmäßigen Handel gerichtsverwertbar zu beweisen und in dem Fall bestünde die Gefahr, dass die Frau nach der Vorführung beim Haftrichter, wieder „auf freien Fuß gesetzt“ würde

Bei dem Abhören von Jennys Telefongesprächen erfuhren wir noch vor dem ersten Einsatz der MEK-Gruppe die Rückkehrzeit der Dealerin nach ihrer „Amsterdamer Einkaufsfahrt“ und observierten den Bahnhof. Jenny stieg nach ihrer Ankunft sofort in ein - offensichtlich bereits telefonisch bestelltes – Taxi, das ohne Zwischenziel auf direktem Weg den abseits des Ortes gelegenen Aussiedlerhof der Familie Schrader ansteuerte. Dort wohnte Erika Schrader, die bereits öfter mit der Dealerin telefoniert hatte, wobei aus den Gesprächen jedoch nicht erkennbar war, welche Beziehung die Mutter einer Heroinkonsumentin zu der Lieferantin des Heroins für ihre Tochter Sabine hatte. Ich wusste aus Sabines Kriminalakte, dass deren Bruder Ben vor einigen Jahren an einer Überdosis verstorben war. Vermutlich suchte die Mutter den direkten Kontakt zu der Dealerin damit ihre Tochter regelmäßig Heroin mit dem gleichen Wirkstoffgehalt erhält und Sabine sich nicht wie ihr Bruder beim Konsum einer Heroinsubstanz mit höherem Reinheitsgehalt oder vermischt mit einer anderen Substanz unabsichtlich den „goldenen Schuss“ setzt. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt den wahren Grund dieser Beziehung geahnt, hätte ich die Dealerin vermutlich vor dem Tod eines jungen Mädchens nach einer Überdosis festgenommen.

Zurück zur aktuellen Situation: bei der Ankunft auf dem Bauernhof bat Jenny den Taxifahrer offensichtlich kurz zu warten. Sie übergab einer Frau, bei der es sich vermutlich um Frau Schrader handelte, an der Haustür eine Tüte. Aufgrund der großen Entfernung konnte ich mit dem Fernglas die Situation jedoch nicht genau erkennen. Nach einem kurzen Gespräch ließ sich Jenny von dem Taxi auf direktem Weg zurück in ihre Wohnung fahren. Somit wurde unser Verdacht, Jenny würde das Heroin in einem Erddepot außerhalb bunkern, nicht bestätigt. Entweder hatte sie es vor dem Besteigen des Taxis in einem Schließfach im Bahnhof gebunkert oder sie würde die eingekaufte Menge in ihrer Wohnung deponieren. Meiner Meinung nach war sie aufgrund ihres bisherigen konspirativen Verhaltens zu clever, um eine größere Menge mit sich zu führen, mit der wir die Dealerin bei einer Kontrolle als „gewerbsmäßig Handeltreibende“ überführen könnten.

 rc 17 Andreas Herder als JSK SEF medis

 

 

 

 


Andreas  Herder als Jörg Schmitt-Kilian

 

 rc 17 SWF Meda Übergabe Schraderhof

 

 

 

 

 

Übergabe Schraderhof

 rc 17 Drehbuchszene Bendeikt Röskau kurz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

© Fotos: SWR media, Drehbuchauszug: Benedikt Röskau

Jörg Schmitt-Kilian (ehem. Drogenfahnder und KHK a.D.) hat zahlreiche Bücher (u.a. einen SPIEGEL-Bestseller, mit Uwe Ochsenknecht verfilmt) und Themenhefte zur Früherkennung und Bewältigung von Krisensituationen (Drogen, Gewalt, school-shootings) mit einer Gesamtauflage von mehr als einer halben Million Exemplare geschrieben. Im September ist ENTFÜHRT der vierte Krimi seiner Serie „Neben der Spur“ erschienen.

 

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