Polizei Alltag Schmitt Kilian V6BLAULICHT-STORIES „Erinnerungen an alte Zeiten“  

von Jörg Schmitt-Kilian, Krimi-Autor und Hauptkommissar a.D.

Jörg Schmitt-Kilian wirft einen Blick hinter die Kulissen des polizeilichen Alltags, pendelt zwischen wahren Begebenheiten und der „Freiheit schriftstellerischer Ausschmückung“ und erinnert an eine Zeit, in der nicht alles besser, aber vieles „anders“ war.

Major van Oppelen und PHM Strahls Kanzler-Zitat (Teil 1)

Die „treue“ Leserschaft der Blaulichtserie erinnert sich vermutlich noch an (Panzer?)-Major van Oppelen. Richtig, er hatte im volltrunkenen Zustand und voller Montur seiner Bundeswehruniform inklusive Kopfbedeckung gegen Mitternacht auf der großen Kreuzung Wöllershof den Verkehr geregelt.

Einige Tage später fuhr er mit seinem Privat-Pkw gegen einen Pfeiler der Pfaffendorfer Brücke und wunderte sich, dass „sein Panzer“ die Brücke nicht zum Einsturz bringen konnte. Da nur Beamte der B-Schicht mit dem Major Kontakt hatten, kannte PHM Strahl van Oppelen nicht, als er ihn beim Urinieren gegen die Telefonzelle direkt vor der Wache erwischte. Nach Belehrung drohte er mit (rechtlich nicht möglich) einer kostenlosen Übernachtung im Polizeigewahrsam und einer Vorführung beim Haftrichter. Als „Alternative“ bot er dem „Störer der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ eine polizeiuntypische Zwangsmaßnahme an, die Strahl wohlweislich nicht im Rapport vermerkte. Hier der Vorgang:

Schutzpolizeiinspektion 1, Nachtdienst C-Schicht

02.15 Uhr: Verstoß gegen die öffentliche Ordnung durch Urinieren gegen die Telefonzelle vor der Wache. Mündliche Verwarnung. Keine weiteren Maßnahmen.

PHM StrahlPOW Minning

3322 01 Pompfe an SchreibmaschineAls Strahl um 02.15 Uhr an seinem Wachtisch durch ein plätscherndes Geräusch gestört wurde, zog er noch einmal gierig an seinem „Sargnagel“, stand auf, ging an das stets offene Fenster und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Ein elegant gekleideter Herr pinkelte - wenig elegant - gegen die Telefonzelle vor der Wache, wo Marktfrau Kätche in drei Stunden Obst und Gemüse zum Verkauf anbieten würde. „Kommen Sie sofort in die Wache, Sie altes Ferkel“ forderte er den Wildpinkler auf. Nach eingehender Belehrung und (obwohl nachts verschlossen) der Hinweis auf die öffentliche Toilette direkt neben der Wache, drohte Strahl dem sichtlich verlegenen Herrn mit einer Vorführung beim Haftrichter. Dies könne er jedoch durch Reinigen der Telefonzelle abwenden. Die „Alternative“ wurde von dem leicht angetrunkenen Wildpinkler widerspruchslos angenommen. Strahl beauftragte POW Minning einen Eimer mit Wasser zu füllen, stellte diesen dem Mann vor die Füße, drückte ihm einen Schwamm in die Hand und kommandierte „Abmarsch!“ Unter Strahls Aufsicht und zur Belustigung der steigenden Anzahl von Nachtschwärmern reinigte der Mann die Telefonzelle. Da Strahl jedem „Schaulustigen“ den Grund dieser außergewöhnlichen Reinigungsaktion erklärte und immer wieder lautes Gelächter erntete, verärgerte van Oppelen so sehr, dass er sich nun mit Dienstgrad vorstellte und meinte, diese Behandlung kränke die Ehre eines deutschen Offiziers. »Dau biss Major beim Bund? Wellste mir en Knopp uff die Vorhaut nähe?«, erwiderte Strahl mit seinem Lieblingsspruch, den er auch uns gegenüber bei jeder sich mehr oder weniger passenden Gelegenheit in seiner unvergleichbaren Art entgegenschleuderte.

Nachdem van Oppelen den Eimer ausgeleert, gewaschen und den Schwamm ausgewrungen hatte verabschiedete er sich mit den Worten »Sie hören von mir, Herr Wachtmeister!« 

Ob der Mann eine Dienstaufsichtsbeschwerde geschrieben hat und was es mit dem Kanzler-Zitat auf sich hat, erfahren Sie im nächsten Artikel. 

 

Major van Oppelen und PHM Strahls Kanzler-Zitat (Teil 2)

In der letzten Ausgabe erinnerte sich unser Protagonist Andreas Müller an eine eher untypische polizeiliche Maßnahme mit der PHM Strahl einen Major bestrafte, nachdem er diesen beim Urinieren gegen die Telefonzelle direkt vor der Münzwache erwischt hatte. Als Alternative zu einer Nacht im Polizeigewahrsam und Vorführung beim Haftrichter am nächsten Tag (rechtlich nicht möglich!) reinigte der elegant gekleidete Offizier die Telefonzelle unter dem Gelächter zahlreicher Schaulustiger, denen Strahl den Grund dieser polizeilichen Maßnahme erklärte. 

Einige Tage später reichte Major van Oppelen schriftlich eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Polizeipräsidenten Malmen ein, wonach »…ein ihm namentlich nicht bekannter Polizeibeamter auf der Münzwache ihn mit den Worten „Wellste mir en Knopp uff die Vorhaut näje“ beleidigt habe. Er fühle sich in seiner Soldatenehre gekränkt und fordere eine Entschuldigung der Behörde. Den eigentlichen Sachverhalt verschwieg der Beschwerdeführer. Es ging nur um das verwerfliche Zitat. »Strahl, Mensch Jung, lass Dir was einfallen«, sagte der Präsident, denn der Ausspruch „Wellste mir en Knopp uff die Vorhaut näje?“ hörte man täglich von Strahl, sodass auch der Präsident sofort wusste, wer der unbekannte Beamte war. Strahl war ein Mann der Praxis, aber kein Virtuose auf der Schreibmaschine. Die Stellungnahme wurde daher von einem jungen Kollegen mit einem Hang zu literarischen Formulierungen gefertigt und von Strahl mit den Worten »God gemacht, Jung« - und nach einem kräftigen Schulterklopfen - unterzeichnet. Der PHW hatte geschrieben, Strahl habe den im Beschwerdeschreiben zitierten Satz zwar gesagt, jedoch sei dies keineswegs als eine Beleidigung zu interpretieren, handele es sich doch um ein „Bismarck-Zitat“ im Nachgang zur Schlacht von Sedan, als Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke seinem Kanzler Otto von Bismarck die Gefangennahme des französischen Kaisers Napoleon III meldete. Strahl habe dem Major mit dem preußischen Soldatenzitat von Bismarck eine Freude machen wollen und dieser habe dies offensichtlich falsch verstanden.  Es sei halt nur ein bedauerlicher Irrtum.

Zwei Wochen nach Abgabe der Stellungnahme kam es zu einem Wiedersehen im Dienstzimmer von Präsident Peter Malmen. Strahl wurde zunächst vom Präsidenten für seine hervorragenden Kenntnisse hinsichtlich preußischer Soldatengeschichte gelobt und fragte, was denn eigentlich der Anlass dieser verbalen Auseinandersetzung gewesen sei.Strahl winkte ab »Schun vergässe, mein Polizeipräsident«. Er grinste van Oppelen an und der Major teilte »mit dem höchsten Ausdruck des Bedauerns« mit, dass er Strahl zu Unrecht der Beleidigung bezichtigt habe, er »spreche Lob und Anerkennung aus« und entschuldige sich. Der Präsident war stolz auf seinen Beamten, van Oppelen und Strahl hüllten sich in Schweigen, über den eigentlichen Grund ihrer Begegnung und über die Maßnahme, die der Wachhabende von dem „Störer“ verlangt hatte und alle drei waren zufrieden. 

Heute könnte man im Internet feststellen, dass dieses Zitat nur der Fantasie des jungen Kollegen entsprungen war. Die treue Leserschaft erinnert sich an die Stellungnahme zum Dienstunfall als Müller mit dem VW-Bus vor der Tiefgarage „auf regennasser Straße“ nicht rechtzeitig bremsen konnte und die Blaulichter „abrasierte, obwohl an diesem Tag kein Wölkchen am Himmel zu sehen und die Zufahrt staubtrocken war. Früher war nicht alles besser, aber vieles anders - und in diesen Fällen besser, denn keiner kontrollierte Zitate auf ihre Echtheit oder die Wetterbedingungen zum Zeitpunkt des Unfalls. 

Der Autor: Schmitt-Kilian hat zahlreiche Bücher (u.a. den SPIEGEL-Bestseller Vom Junkie zum Ironman, verfilmt mit Uwe Ochsenknecht) mit einer Gesamtauflage von mehr als 500.000 Exemplaren veröffentlicht. Seine Jugendbücher, Kriminalromane. die Reisebegleiter LIEBLINGSPLÄTZE (Koblenzund RADELN FÜR DIE SEELE (Mosel von Koblenz bis Trier) und ALLZEIT BEREIT (mit „the best of“ aus der BLAULICHT-Serie) sind in jeder gut sortierten Buchhandlung erhältlich oder können – wenn persönliche Widmung gewünscht- auch direkt beim Autor per Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. bestellt werden.  

Autorenportrait: Göttsche Foto: Walter 

 

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